Barrierefreiheit basiert auf Benutzerfreundlichkeit. Derek Featherstone hat einmal gesagt, dass Behinderung "ein Usability-Verstärker" ist. Unterschiedliche Arten von Behinderungen zeigen perfekt, inwieweit ein Produkt für alle nutzbar ist, wo die Schwachstellen liegen und was wir verbessern sollten. Etwa 15 Prozent der Weltbevölkerung sind in irgendeiner Weise eingeschränkt, das sind 1 von 7 Menschen auf der ganzen Welt. Laut Eurostat leiden darüber hinaus 20 Prozent der Bevölkerung in der Europäischen Union an gesundheitlichen Einschränkungen.
Es gibt unzählige Menschen mit unterschiedlichen situativen, vorübergehenden oder dauerhaften Bedürfnissen in Bezug auf Barrierefreiheit—und manchmal erwarten auch Menschen ohne Behinderung in bestimmten Situationen mehr von der Anwendung, Website oder dem Gerät, das sie verwenden. Eine langsame Internetverbindung sollte zum Beispiel kein Hindernis darstellen, eine Seite nur mit Text und Alternativtext anstelle anderer visueller Elemente (Symbole, Bilder, Videos) zu laden. Ebenso kann es an einem sonnigen Tag schwieriger sein, eine Webseite oder App mit geringem Farbkontrast richtig zu erfassen, selbst für Menschen ohne jede Sehbehinderung. Daneben gibt es viele Arten von Behinderungen und Herausforderungen sowohl für Geräte als auch Anbieter digitaler Inhalte, die mit einer Reihe von Anforderungen zu kämpfen haben: visuelle, motorische/eingeschränkte Mobilität, Hör-, Sprach-, Anfalls- und Lichtempfindlichkeit, kognitive Behinderungen oder natürlich auch eine Kombination mehrerer dieser Behinderungen.
Barrierefreiheit in der modernen Welt
In der heutigen Welt haben wir fast unbegrenzten Zugang zum Internet und eine ständig wachsende Auswahl an verfügbaren digitalen Geräten. Als Entwickler sollten wir uns der Verantwortung bewusst sein, die damit einhergeht. Unsere Produkte sollten so zukunftssicher wie möglich gestaltet sein und wirklich allen Anwendern eine hervorragendes Benutzererlebnis bieten, unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Behinderungen. Wenn Sie Barrierefreiheit nicht frühzeitig in Betracht ziehen, schließen Sie wahrscheinlich tausende von Menschen von der Nutzung Ihres Produkts aus. Eine integrierte Unterstützung für Barrierefreiheit bedeutet auch, dass sich Anwendungen, Websites oder Geräte viel besser an zukünftige technologische Änderungen anpassen können. Als Diejenigen, die direkt am Design und der Entwicklung neuer Produkte beteiligt sind, müssen wir — Designer, Entwickler, Tester — erkennen, dass jede Designentscheidung die Zugänglichkeit und Benutzerfreundlichkeit beeinflusst. Barrierefreiheit beginnt beim visuellen Design und endet beim Endbenutzererlebnis. Die Barrierefreiheit sollte in jedem einzelnen Schritt des Erstellungsprozesses berücksichtigt werden. Ein Testen der Barrierefreiheit sind jedoch ein Unsinn, wenn die Anwendung, das Web oder das Gerät nicht von Anfang an für Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen konzipiert sind.
Tastaturen und Screen Reader reichen nicht aus
Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) — ein Kompendium an Empfehlungen und Normen, um Ihren Service oder Ihr Produkt zugänglicher zu machen und ihre Website barrierefrei zu gestalten — sind eine fast unüberschaubare Liste potenzieller Schwachstellen und Regeln zur Beseitigung dieser Hindernisse mit entsprechenden Richtlinien und Erfolgskriterien, gefolgt von einer damit verbundenen Konformitätsstufe (Level A/AA/AAA). Der einfachste Weg, über Barrierefreiheit im Internet nachzudenken, besteht darin, sich auf diese Richtlinien zu fokussieren — und auf die Software- und Hardwaretools, die wir zumeist bereits integriert haben (Bildschirmlesegeräte, Tastaturen) — was jedoch nicht ausreicht. Die Behinderungen, egal welcher Art oder Kombination, erstrecken sich immer über ein breiteres Spektrum. Beispielsweise ist eine Sehbehinderung nicht nur Blindheit. In diesem Spektrum können verschiedene Arten von Problemen auftreten, die mit Sehbehinderungen zusammenhängen, z. B. Sehschwäche, Tunnelblick, Anfälle durch Strobe-Effekte usw. Motorischen Probleme oder Probleme in Richtung eingeschränkter Mobilität können von vorübergehenden Problemen wie einem gebrochenen Arm bis hin zu dauerhaften Problemen wie Tetraplegie variieren. Ebenso können sich Hörprobleme auf viele verschiedene Arten zeigen, von Misophonie bis hin zu Problemen für Gehörlose.
Um diese Herausforderungen anzugehen, müssen wir zunächst überlegen, welche Arten von Benutzern wir mit unserem Produkt oder unserer Dienstleistung unterstützen möchten, um das Spektrum ihrer Bedürfnisse verstehen. Während des Entwicklungsprozesses der Anwendung, der Website oder des Geräts, auf das jeder Zugriff haben soll, sollten folgende Aspekte unbedingt Beachtung finden: Bewusstsein, Zugriff, Relevanz, Design und Erfüllung rechtlicher Normen.
Sich der Bedürfnisse des Benutzers bewusst sein und Probleme verstehen, mit denen er oder sie möglicherweise zu kämpfen hat. Dazu müssen Sie natürlich wissen, wer genau Ihre Zielgruppe ist, und fragen, welche unterstützenden Technologien sie möglicherweise nutzen wollen — und wie und warum. Persona Mapping kann dabei helfen, herauszufinden, wer ein primärer und wer ein sekundärer Benutzer ist, um dann die entsprechenden Zugriffsattribute zu definieren.
Die nächste Frage ist, wie einfach der Zugriff auf die App, die Website oder das Gerät ist. Dazu gehören Konnektivität, Probleme mit niedrigem Akkustand und niederer Arbeitsspeicher, kleine Geräte und Bildschirme — und schließlich auch die Kosten.
Relevanz — Eine App, Website oder ein Gerät sollte im Kontext der spezifischen Bedürfnisse eines Benutzers von Bedeutung sein. An dieser Stelle ist es von Vorteil, tendenziell eher übermäßig zu kommunizieren und so beschreibend wie möglich zu sein.
Design ist die Phase, in der festgelegt wird, ob Benutzer mit besonderen Bedürfnissen und Behinderungen Ihre App, Website oder Ihr Gerät verwenden können oder nicht. Denken Sie in dieser Phase an Farben und Kontraste, alternative Texte und Beschreibungen sowie grafische Hinweise wie Symbole, die wenig lesefreundlich sind. Stellen Sie in diesem Stadium auch sicher, dass Sie keine blinkenden Elemente oder Muster verwenden, die zu Anfällen führen können. Ihr Design sollte den Empfehlungen der WCAG 2.0 entsprechen, zumindest auf dem Level der Konformitätsstufe AA.
Das Behindertengleichstellungsgesetz in Österreich regelt den Umgang der öffentlichen Verwaltung mit Menschen mit Behinderung. Demnach ist laut §6 eine Webseite barrierefrei, wenn sie "in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar" ist. Das deutsche Behindertengleichstellungsgesetz definiert diese Normen für die öffentliche Verwaltung noch genauer. Auch wenn diese Gesetze nicht unmittelbar für die Privatwirtschaft gelten, ist es dennoch ratsam, diese rechtlichen Normen für eigene barrierefreie Webseiten zu berücksichtigen.
Lassen Sie sich inspirieren — es gibt viele Wege, Technologie für alle zugänglich zu machen
Es gibt viele Bereiche für mögliche Verbesserungen in dieser modernen Welt und es gibt bereits zahlreiche Lösungen, von denen wir uns inspirieren lassen können. Autofahren ist für Personen mit Epilepsie praktisch unmöglich, da der Strobe-Effekt und die Straßenbeleuchtung während des Fahrens zu Anfällen führen können. Um das Ausmaß des Problems zu verdeutlichen, möchte ich darauf hinweisen, dass weltweit über 50 Millionen Menschen an Epilepsie leiden und diese Zahl kontinuierlich zunimmt. Um besser auf das Problem des öffentlichen Verkehrs vorbereitet zu sein, müssen "sowohl die Technologie als auch die Infrastruktur barrierefrei gestaltet werden, was eine Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Behörden des Bundes und der Kommunen, Interessengruppen und Organisationen sowie Einzelpersonen erfordert, die über das Fachwissen verfügen, um zu wissen, was zu tun ist und für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Behinderungen nicht funktioniert.". Ein weiteres Beispiel dafür sind ganz neu entwickelte Kommunikationsgeräte für non-verbale Personen, wie zum Beispiel C-Eye Systeme, Spracherzeugungsgeräte oder andere Anwendungen für alternative Kommunikation, die Menschen mit ASD oder nach einer Halskrebsoperation helfen. Alle diese Anwendungen wurden speziell entwickelt, um eine bestimmte Behinderung zu überwinden und Menschen mit besonderen Bedürfnissen eine bessere Lebensqualität zu bieten.